Die von einem Asylzentrum im Kanton St. Gallen verursachten Immissionen erreichten nicht die Intensität, um einen Anspruch auf Entschädigung wegen Enteignung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zu begründen. Das hat das Bundesgericht entschieden.
Bei dem Urteil ging es um ein Haus, das in der Landwirtschaftszone einer St. Galler Gemeinde liegt. In einem zuvor als Schule genutzten Gebäude auf der gegenüberliegenden Strassenseite wurde von Februar 2016 bis Ende 2018 ein Asylzentrum betrieben (seit 2019 ist es ein Ausreise-und Nothilfezentrum). Die Eigentümer des Nachbarhauses forderten 2016 wegen den von ihnen gerügten materiellen Immissionen aus dem Betrieb des Asylzentrums (u.a. nächtlicher Lärm, Mehrverkehr, Betreten ihres Grundstücks, Abfall, Küchengerüche) und ideellen Immissionen (u.a. „Herumlungern“ von Asylbewerbern, Verlust der Privatsphäre) eine Entschädigung wegen Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche.Die Schätzungskommission wies das Begehren ab, was vom Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen bestätigt wurde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Eigentümer ab. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen Enteignung zivilrechtlicher Abwehransprüche gegen die Einwirkungen aus dem Betrieb eines öffentlichen Werks wie dem Asylzentrum setzt unter anderem voraus, dass diese den Grundeigentümer in spezieller Weise treffen. Nach Ansicht der Bundesrichter, von denen nicht ein einziger neben einem Asylzentrum lebt, ist diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Immissionen eine Intensität erreichen, die das Mass des Üblichen und Zumutbaren übersteigen.
Die Richter ordnen dem kantonalen Konzept zur Betreuung und Beschulung der Asylsuchenden sowie dem Betrieb des Zentrums einen höheren Stellenwert zu als den Leiden der Betroffenen. Diese hätten nur dann Recht bekommen, wenn es zu bedrohlichen Situationen oder Übergriffen auf Anwohner gekommen wäre, die Kriminalität zugenommen hätte oder dass die Sicherheit der Nachbarschaft nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Mit anderen Worten, sie hätten mit ihrer Klage warten müssen bis einer von Asylsuchenden verletzt oder getötet worden wäre.